„Kaltes klares Wasser, / Über meine Hände, / Über meine Arme, / Über meine Beine / Über meine Schenkel, / Über meine Brust, / Ich mache meine Augen zu“, heißt es bei der deutschen New-Wave-Band Malaria! in ihrem Titel von 1981. Wasser ist für Menschen gerade ein so sinnliches Erlebnis wie bei Malaria!, weil es essentiell für Leben auf der Erde ist. Niemals würde der Mensch so etwas Grundsätzliches zerstören, könnte man vermuten. Dass dem nicht so ist, zeigen die Meldungen der letzten Jahre, in denen vor dem schlechten Zustand des Grundwassers in Deutschland gewarnt wird.
Der Kern allen Übels
Der Verein VSR-Gewässerschutz hat eine gewisse Bekanntheit damit erlangt, die Belastung von privaten Grundwasserproben zu analysieren. Immer wieder warnte der Verein vor einer Überlastung des Grundwassers im Oldenburgischen mit Nitrat. Diese Erkenntnis ist mittlerweile unumstritten, wird sowohl vom Landkreis Oldenburg als auch vom regionalen Wasserversorger OOWV bestätigt. Zuletzt machte die Meldung die Runde, der VSR-Gewässerschutz habe im Landkreis Oldenburg eine erhöhte Aluminiumkonzentration im Grundwasser festgestellt. Der Verein wertet die Messergebnisse als Indiz für saure Böden. „Aluminium kommt überall im Boden vor. Es wird aber nur in einem stark saurem Grundwasser gelöst. Unter einem pH-Wert von 5,5 wird Aluminium gelöst wird. Das Wasser im Untergrund wird immer saurer“, bewertet Vereinsvorsitzender Dr. Harald Gülzow die Lage. Die Ursache für die sauren Böden sei eben die industrielle Landwirtschaft. Gerrit Finke vom Amt für Bodenschutz und Abfallwirtschaft beim Landkreis Oldenburg sagte gegenüber KOSTBAR, der Landkreis bewerte den VSR-Gewässerschutz als „nicht relevant“. Der Übersäuerung von Böden werde mit Kalk entgegensteuert. Auch gebe es vonseiten des Landkreises kein Interesse an einem Kontakt zum Verein. Was soll also von den Messungen gehalten werden? Sicherlich sind diese nicht repräsentativ für einen ganzen Landkreis, da sie weder flächendeckend noch langfristig erhoben worden sind. Sie können aber sehr wohl ein Anlass für Institutionen sein, die Konzentration des Aluminiums genauer zu beobachten. Das NLWKN betont, die Aluminiumkonzentration hinge vor allem mit der Bodenbeschaffenheit zusammen: „Erhöhte Aluminiumgehalte treten vor allem im Bereich schwach gepufferter Sande und unter Mooren auf.“ Allerdings scheint Aluminium gar nicht das Potential zu haben, sich zu einem ausgewachsenem Sorgenkind [sic!] zu entwickeln: Sowohl Prof. Volker Lüderitz von der Hochschule Magdeburg-Stendal als auch Dr. Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau gehen davon aus, dass die Aluminiumkonzentration keine entscheidende Gefahr für das deutsche Grundwasser in den kommenden Jahren sein werde. Der Knackpunkt ist das altbekannte Nitrat.
„Nitrat hat im Grundwasser nichts verloren“, stellt Dr. Hahn von der Uni Koblenz-Landau fest. Für ihn scheint das eine Selbstverständlichkeit zu sein. Sobald wir auf den Nordwesten zu sprechen kommen, klingt er etwas fatalistisch. Die Gegend sei ja mit „Nitrat versaut“. Der Grund für die hohe Nitratkonzentration liegt auf der Hand: die industrielle Viehhaltung in der Norddeutschen Tiefebene mit ihrer Gülle und ihren Düngern, die auf den Feldern ausgebracht werden. Dass das Nitrat im Grundwasser tatsächlich kausal mit der Landwirtschaft zusammenhängt, ist wissenschaftlich belegt, wie zum Beispiel Berichte des Umweltbundesamtes schildern: „Dominieren im Umfeld der Messstellen Acker- und Siedlungsflächen, so steigt der Anteil der Messstellen mit Nitratkonzentrationen von mehr als 50 mg/L nochmals deutlich an. Der Eintrag von Stickstoff aus der Landwirtschaft ist somit die Hauptursache für die Belastung des Grundwassers durch Nitrat.“
In der Tat ist Oldenburg nicht allein mit unerwünschten Stoffen im Grundwasser. Laut einem Bericht des Umweltbundesamtes ist das Grundwasser an gut einem Drittel der Messstellen in einem schlechten chemischen Zustand. Oft ist die Ursache Nitrat, ab und zu sind es Pestizide. Bislang betrifft es im Versorgungsgebiet des OOWV ausschließlich die oberflächennahen Grundwasserschichten. Doch sobald eine so hohe Nitratkonzentration auch in tieferen Grundwasservorkommen zu finden ist, besteht Gefahr für das Trinkwasser, das dort abgepumpt wird. Und das wird früher oder später passieren, wenn sich nichts im Umgang mit der natürlichen Resource Wasser ändert.
Rehablitation für das Grundwasser?
Einer Diagnose muss eine entsprechende Behandlung folgen. Die gibt es bislang nur in homöopathischen Dosen. Die neue sogenannte Gülleverordnung hat nur Weniges verbessert. Wie müsste eine adäquate Behandlung also aussehen? Der OOWV teilt mit, er setze auf freiwillige Projekte mit Landwirten: „Sie wirtschaften auf freiwilliger Basis nach besonderen Regeln des Grundwasserschutzes.“ Reicht das?
Dr. Hahn ist davon überzeugt, dass kleine Maßnahmen nicht reichen, um eine Wende herbeizuführen. Selbstständig können die Wasserwerke kaum mehr tun. Politisches Handeln ist gefragt. Dr. Hahn merkt an, dass eine radikale Überarbeitung der EU-Wasserrahmenrichtlinie Potential habe, einiges zum Positiven zu verändern. Doch hat er wenig Hoffnung. Denn: Es brauche keine Reformen, sondern radikale Maßnahmen. Die flächendeckende biologische Landwirtschaft sei die einzige Lösung, um das Grundwasser zu retten. Umweltschäden müssten beim Lebensmittelpreis berücksichtigt werden. Dann sei die Bio-Kartoffel plötzlich günstiger als die konventionell erzeugte. Im Moment „werden Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert“, Subventionen seien auf Fläche und Masse statt Qualität ausgelegt. Werden diese Maßnahmen nicht umgesetzt, müsste das Nitrat bei der Trinkwassergewinnung herausgefiltert werden. Die Kosten dafür würden dann natürlich auf die Verbraucher*innen umgelegt. Für Verbraucher*innen ist der Status quo keinesfalls die wirtschaftlichere Variante.
Auf Anfrage von KOSTBAR verwies die Europäische Kommission darauf, dass eine öffentliche Konsultation zur Revision der Wasserrahmenrichtline durchgeführt worden sei, bei der Bürger*innen bis zum 12. März 2019 hätten teilnehmen können. Dort wurde die subjektive Beurteilung der Gewässer abgefragt, ohne dass besonderes Vorwissen oder Vorraussetzungen nötig sind. Mit konkreten Maßnahmen sei jedoch für die nächste Zeit nicht zu rechnen, da die Legislaturperiode des Europaparlaments bald ende. Vom chemischen Zustand abgesehen, sind einheitliche Kriterien für die ökologische Bewertung von Grundwasser in der Bundesrepublik noch in Entwicklung. Konkrete Maßnahmen zur Schonung des Grundwassers fehlen also noch. Damit sich das ändert, muss das Thema von Bürger*innen und Medien weiterhin als Priorität in der Öffentlichkeit dargestellt werden.
Eine nachhaltigeres Leben – auch für die Landwirte
Landwirte fühlen sich oft als Sündenböcke, wenn es um Umweltthemen geht. Das hat auch das Insektenvolksbegehren in Bayern gezeigt. Klar, die Landwirtschaft muss sich ändern. Die Kritik zielt allerdings auch nicht darauf ab, Landwirte persönlich für die Umweltfolgen zu beschuldigen. Vielmehr handelt es sich um strukturelle Kritik; die gesamte Gesellschaft muss ihren Kurs, das System muss sich ändern. Am Ende geht es darum, eine nachhaltige Welt für alle zu schaffen – auch für die Landwirte. Dazu gehört auch, dass sie ein gutes Auskommen mit ihrer ohne Zweifel wichtigen Arbeit haben. Letztendlich brauchen alle Lebewesen – Menschen, Tiere, Pflanzen – das gleiche: kaltes, klares Wasser.