Neustart Kultur

Barthel Pester

Die Kultur kommt zurück – aber nur mit angezogener Handbremse. Penibel achten gerade dieTheater und Konzerthäuser auf die Hygiene- und Abstandsregeln. Abstand einhalten in z.B. einer Beziehungskomödie ist ein bisschen blöd. Groß ist der Unmut bei Kulturschaffenden darüber, dass die Flieger voll sind, bald wieder tausende Menschen in Fußballstadien sein dürfen, bei Kulturveranstaltungen die Anzahl der Zuschauer*innen aber arg begrenzt ist wegen Corona. Während für andere Branchen schwuppdiwupp die Milliarden an Staatsknete geflossen sind, mussten Künstler*innen und Kreative echt lange auf Unterstützung warten. Und bei Freischaffenden ist sie meistens gar nicht angekommen. Die Bedeutung der Kultur, Systemrelevanz ist das Stichwort, ist überhaupt nicht klar. Fehlt die Lobby? Kulturelle Bildung ist ja schließlich politische Bildung. Es ist schon gestattet zu fragen, warum fließen Milliarden in den Tourismus, aber nicht in die Kultur- und Kreativwirtschaft? Schließlich malochen 1,7 Millionen Menschen auf, vor und hinter den Bühnen und Kulissen, ob fest angestellt oder selbständig.

Wegen dieser gewaltigen Problemstellung hatten die Kulturgenossenschaft Globe und Werkstatt Zukunft zur Podiumsdiskussion ins 66 Jahre junge GLOBEgeladen; Talk im GLOBE das Format genannt und Kultur in der Krise zum Thema bestimmt. Eingeladen zum Diskutieren waren die Künstler*innen Anni Heger, Mathilda Kochan, Regieassistententin beim Oldenburgischen Staatstheater und Vorstand bei Creative Mass, und Pavel Möller-Lück, Theater Laboratorium, Markus Kosuch, Professor für kulturelle und ästhetische Bildung an der TH Nürnberg und Prof. Dr. Uwe Meiners, Präsident der Oldenburgischen Landschaft. Live Acts: Anni Heger und Jo Schmitt als Mr. GLOBE.

Die Nordwest-Zeitung berichtet heute schon online und morgen dann in der gedruckten Ausgabe. Danke dafür.

Viele Techniker, Cateringfirmen, Nightliner, Dekobauer, Lichtdesigner, Trucker, Eventfirmen, Kleinkünstler, Artisten, Technikverleiher, Musiker, Sänger, Schauspieler, Tänzer, Agenturen, Bühnenbildner, Bühnentechniker, Messebauer, Autoren, Filmemacher, Maler, Zeichner, Illustratoren, Designer und viele, viele mehr haben Corona bedingt Mühe wirtschaftlich noch länger durchzuhalten. Zurecht bekommen die Bereiche unseres Lebens, die als „systemrelevant“ gelten, im Moment viel Aufmerksamkeit. Der Einsatz von medizinischem Personal, Betreuern, Erzieher*innen, Sicherheitskräften und Dienstleistenden kann gar nicht genug gewürdigt werden. Was aber fast völlig vergessen wurde: Wir sind eine Kulturnation. Wie konnten wir das als Gesellschaft nur vergessen?

Kultur ist in der Reihe der Systemrelevanz unten eingeordnet worden, als wäre Kultur Stuck, auf den wir verzichten könnten. Viele Künstler*innen fühlen sich wie ein Geist ohne Bühne. Seit sechs Monaten: Auftritte gestrichen, Einnahmen weg. Hunderttausende Selbstständige kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Wo bleibt die Perspektive für die Kulturschaffenden, wenn die Regeln bei Menschen, die eher diszipliniert nebeneinander im Kino und im Theater sitzen und sich nicht unterhalten oder mittanzen, nicht gelockert werden?

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