Harald Welzer und Alexander Gerber: Bedürfnisse werden gezüchtet – Weniger ist mehr

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Harald Welzer

Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer. Foto: vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.

Zumindest im Berliner Büro von FUTURZWEI dominieren nicht die Dinge – von denen der Durchschnittsdeutsche rund 10 000 besitzt, wie Harald Welzer ausgerechnet hat. Der Soziologe und Sozialpsychologe plädiert für einen reduzierten Lebensstil und will Projekte ins Licht rücken, die auf diesem Weg erfolgreich sind. „Sie sollen ansteckend werden“, betont der Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg und Direktor der Stiftung FUTURZWEI. Im eher kargen Besprechungsraum tauschen sich Welzer und Demeter-Vorstand Alexander Gerber darüber aus, wie selbst Denken wirken kann.

Moderation: Renée Herrnkind

Leben im Hier und Jetzt oder in der vollendeten Zukunft: im FUTURZWEI. Der Name Ihrer Stiftung ist mehr als ein Wortspiel?

Harald Welzer: Richtig. Heute kreist ja alles um den Gegenwartspunkt. Die allermeisten Probleme resultieren daraus, dass uns Zukunft abhanden gekommen ist, dass wir keine Vorstellung von Zukunft haben. FUTURZWEI verweist auf ein faszinierendes menschliches Vermögen: Nur der Mensch kann sich in die Zukunft hineinversetzen und vom imaginierten Zukunftspunkt zurückzublicken auf den Weg, der zu ihm geführt hat. Zukunft ist nach meiner Überzeugung viel wichtiger für das, was Menschen denken und wie sie sich entscheiden, als die Vergangenheit. Lassen wir uns nicht länger vorbeten, dass man in die Vergangenheit blicken muss, um die Gegenwart bewältigen zu können. Mit guten Gründen nehmen wir die gegenteilige Perspektive ein. Gegenwart bestimmt sich aus der Zukunft. FUTURZWEI als Modus operandi zu haben, zeichnet uns Menschen aus. Das müssen wir nutzen.

Alexander Gerber: Genau darauf beruht der Erfolg der Bio-Bewegung: Pioniere haben vorweggedacht was wir heute brauchen. Sie haben damals Antworten auf die Fragen der Zukunft gegeben. Rudolf Steiner schon vor 90 Jahren, die Öko-Bewegung dann vor 40 Jahren. Und jetzt gerade führen wir in der Szene eine Diskussion zu Organic 3.0. Nach der Pionierphase kam die Phase der professionellen Etablierung. Was heißt nun Organic 3.0? Welche Frage stellt uns die Welt in 30 Jahren?

Harald Welzer: Es klingt so bombastisch, was ich gesagt habe und Sie jetzt auch. Dabei kann man mit Fug und Recht sagen, bei jeder Form von Alltagsentscheidung ist die Zukunft dabei. Es ist ein „Selbstmissverständnis“, dass die Gegenwart unser einziger Bezugspunkt ist. Das hält uns nur in einer Diktatur der Gegenwart. Wir sind im Konsumismus gefangen. Das hält Menschen davon ab, das zu tun, was Leute seit 2 000 Jahren gemacht haben – nämlich an den nächsten Tag zu denken, an die nächste Generation.

Antworten auf Fragen der Zukunft

Alexander Gerber: Entscheidend ist doch, aus welchem Kontext heraus treffe ich Entscheidungen. Das erleben wir auch im Verband. Jetzt diskutieren wir, ob wir Betriebe ohne Tiere zulassen. Woran sollen wir das festmachen? Am Wirtschaftlichen? Dann gebe ich Tierhaltung auf, denn sie rechnet sich nicht. Oder gerade umgekehrt am Bewusstsein, dass Tiere Bedeutung für biodynamische Landwirtschaft haben? Dann muss ich Bedingungen so ändern, dass Tierhaltung möglich ist. Sehr viele Entscheidungen fallen heute aus der Zwangslage des Alltags.

Harald Welzer: Sachzwänge ziehen den nächsten Schritt nach sich. Es ist unendlich schwer, dieses Rad anzuhalten. Wir müssen die Frage eigentlich umdrehen: Wofür ist die Kuh da? Im Universum der Sachzwänge wird vergessen, was eigentlich die Frage war. Davon ist Politik heute stark geprägt. Sachzwänge hängen im Betriebssystem. Da geht es nur noch um das Funktionieren. Das ist nicht unbedingt im Sinne des Gemeinwesens. Da wirkt naturwissenschaftlich-technisches Denken, davon sind wir stark geprägt.

Alexander Gerber: Das erste Diskussionspapier zu Organic 3.0 spiegelt das wieder. Es tappt in die Falle und fragt: Welchen technischen Fortschritt brauchen wir? Und nicht: Wo wollen wir hin, welche Technik hilft uns dabei. Ich sage dazu stopp und erinnere an das Motto ihres Buches „Selber denken“. Wie gestalte ich Weiterentwicklung der Erde durch Landwirtschaft als einen Teil der menschlichen Entwicklung? Wir bei Demeter wollen Lebensmittel, die nähren, Kräfte und nicht nur Stoffliches bieten, die Entwicklungsfähigkeit des Menschen fördern. Nahrung ist eben mehr als nur Nährstoffe.

Alexander Gerber

Demeter-Vorstand Alexander Gerber. Foto: Demeter e. V.

Harald Welzer: Ich glaube, Sie haben da völlig Recht. Es ist ja etwas ganz anderes, ob ich über Stoffwechsel nachdenke oder über Nahrungsaufnahme. Da zeigt sich der Unterschied – genau da. Das eine schließt den Mensch als Naturwesen mit ein, das andere grenzt ihn aus.

Jetzt sind wir sehr bei der Beischreibung dessen, wo wir als Gesellschaft stehen. Mit FUTURZWEI gehen Sie darüber hinaus. Sie schildern Ansätze, wie es anders funktioniert. Wie machen Sie das persönlich – zum Beispiel in Bezug auf die 10 000 Gegenstände, die jeder Deutsche durchschnittlich besitzt?

Harald Welzer: Das ist schrecklich, total furchtbar. Meine Lösung: Ich verfolge die Strategie, Dinge zu kaufen, die ewig halten. Die sind so teuer, dass man nur ganz wenige kaufen kann. Also kaufe ich, was lange hält. Und ich schaue: Wo kommen die Dinge her, wer hat sie gemacht? Das ist eine ganz andere Haltung als der Durchlauf- und Wegwerfkonsumismus. Bei Lebensmitteln bedeutet es bio und regional. Und ab und zu gibt es Sündenfälle.

Welche?

Die Currywurstbude um die Ecke.

Alexander Gerber: Als ich mir bei Demeter in Darmstadt eine kleine Zweitwohnung einrichten musste, war mein Vorsatz, nur das Allernotwendigste anzuschaffen. Aber was ist das? Ich bin erschrocken wie viel das ganz schnell wird.

Harald Welzer: In „Selbst denken“ spreche ich von einer Art Gymnastik. Wir müssen erst wieder üben zu sehen, was wirklich notwendig ist. Wir sind in der Normalgesellschaft im Dauer-Training für „du brauchst das jetzt, du musst das kriegen“. Die Gegenrichtung gilt es zu trainieren, das dauert. Nur so kann ich reduzieren und optimieren im Weniger.

Erkennen, was notwendig ist

Alexander Gerber: Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Ist das nur gesellschaftliche Konditionierung oder ist nicht im Menschen ein Stück weit verankert, dass er nach Fortschritt und Bequemlichkeit sucht?

Harald Welzer: Da muss man unterscheiden. Prinzipiell ist es das Angebot, welches Begehrlichkeiten schafft. Bedürfnisse werden gezüchtet. Sobald es das gibt, taucht das Versprechen auf Einsparungen oder Bequemlichkeit auf. Man empfindet plötzlich ein Bedürfnis, es zu haben, nur weil es das gibt. Das spüre ich auch selbst. Wir haben ein Auto geerbt und weil es nicht zu verkaufen war – Opas Liebling wird nicht verkauft –, wird es jetzt auch genutzt. Es ist da und dann gibt es plötzlich jede Menge Anwendungen dafür. Es schafft seine eigene Nutzungsstruktur. Alles, was über die Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf und ein bestimmtes Maß an Mobilität hinaus geht, ist nicht wirklich notwendig. An diesem Punkt teile ich ihre Einschätzung daher nicht. Ich halte es für problematisch, wenn man den Konsum anthropologisiert. Der Mensch will gar nichts, außer Beziehungen als anthropologische Konstante. Es gibt nicht so was wie Gier oder „Bequemismus“, Bedürfnisse werden generiert.

Alexander Gerber: Gegenthese: Der Mensch will nicht nur Beziehungen. Ein anderer Impuls hat ihn ange trieben, das Rad zu erfinden. Wenn ich mich selbst beobachte: Es rattert schnell, wie könnte ich etwas anders, besser, nachhaltiger machen? Das Machen allein ist da schon ein Impuls.

Harald Welzer: Da haben wir einen Dissens. Ich denke, in einer Kultur, die an ständige Optimierung glaubt, sind wir auf dem falschen Trip. Hilfreicher ist, gar nichts zu machen. Sich zu gestatten, Dinge nicht besser zu machen, Sachen mal zu lassen, um überhaupt Raum für sich zu gewinnen jenseits von Optimierung und Effizienz. Das ist eine Persönlichkeitsfrage. Ich leide selbst unter Optimierungswahn. Optimierung ist aber unerfüllbar. Ich muss da mein eigenes Stoppschild hinstellen.

Sich gestatten, Dinge nicht besser zu machen

Was bedeutet so ein Ansatz für Demeter?

Alexander Gerber: Auch wir als Verband müssen schauen, welche Art von Wachstums-Gläubigkeit wir haben. Entwicklung wird es immer geben. Besser wäre also, den Begriff Wachstum gegen den Begriff Entwicklung auszutauschen. Und was heißt Entwicklung? alexander gerber: Das Wort impliziert, dass es um Inhalte geht. Wie mache ich etwas heute? Wie will ich es in der Zukunft machen?

Harald Welzer: Der Wachstumsbegriff ist hinderlich, weil er Expansion, die quantitative Dimension, in sich trägt. Damit einher geht Verdrängungswettbewerb. alexander gerber: Aber im Lebensmittelmarkt bedeutet es, dass Menschen biodynamische Lebensmittel statt konventioneller Lebensmittel kaufen. Unser Wachstum ist also Verdrängungswettbewerb durch das Bessere. In diesem Sinne freuen wir bei Demeter uns über Wachstum. harald welzer: Trotzdem wäre es gut, die Begriffe austauschen. Wer mit anderen Begriffen arbeitet, erzeugt eine Wirkung. Wie wäre es mit Transformation? Oder Kultivierung? Wachstum, Wettbewerb – das sind Fallen. Wie jung dieser „Wachstumsbegriff“ ist … Vor 60 Jahren ist der noch gar keine Kategorie gewesen. Jetzt ist er der Fetisch, den diese ganzen Ökonomen vor sich her wedeln lassen und die Politiker noch mehr. Weil sie ja sonst nichts haben. Die können nicht sagen: Wir stellen uns eine am Gemeinwohl orientierte Gesellschaft vor, lasst uns darauf hinarbeiten. Das macht mich manchmal richtig depressiv. Es kann keine Alternative mehr gedacht werden. Der Horizont geht nur bis zu den Schnürsenkeln, das ist totaler Wahnsinn.

Sie haben gesagt, weg vom Fetisch. Sie wollen zeigen, dass einzelne oder kleine Gruppen etwas anderes machen.

Harald Welzer: Das wollen wir publik machen, das ist unsere einzige Aufgabe.

Mit dem Ziel, dass es ansteckend wirkt?

Harald Welzer: Die Ökologiebewegung zieht alle ihre Themen ins Technokratische und ins Katastrophale hinein. Dabei klingt immer durch: Eigentlich ist das, was wir machen, total super, aber leider gibt es dadurch diese Zerstörungen. So wird der Gegenwartszustand als der eigentlich ideale gedacht. Aber so fördere ich niemals eine Mentalität, die am wirklich guten Leben interessiert ist. Deshalb muss man die ganze Kommunikation umdrehen. Ich kann mir doch eine autofreie Stadt vorstellen ohne Klimawandel. Da muss ich mir die Apokalypse nicht dazu denken. Hinzu kommt, in dieser extrem reichen und freien Gesellschaft haben Menschen alle Möglichkeiten zu handeln. Jeder kann auf seine Weise tun, was er oder sie für richtig hält. Das erzählt aber keiner. Medial ist repräsentiert, man kann ja nichts machen, ist alles so komplex … Deshalb erzählen wir Geschichten über Menschen, die sagen „ich mache es einfach“.

Die zeigen, wie sie direkt ins Handeln kommen. Gibt es dafür bestimmte Eigenschaften, die notwendig sind? Und kann Demeter dazu beitragen, dass Menschen handlungsfähig werden?

Alexander Gerber: Das Tolle bei Demeter ist ja, dass das alles BäuerInnen, UnternehmerInnen sind, die „einfach was machen“. Ich bin fasziniert von den Handlungsimpulsen dieser Menschen. Der Impuls der Mehrzahl der Demeter-Akteure ist es, das Richtige für Boden, Erde, Tiere, Menschen und die Gemeinschaft zu machen. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist Bedingung, um das Richtige tun zu können, nicht das Ziel. Das hat viel mit Willen zu tun. Die Anthroposophie zeigt hier den Zusammenhang zwischen erkennen, fühlen und wollen. Wir sind wieder bei der Diskrepanz zwischen Erkennen und Handeln – ohne Wollen funktioniert das aber nicht, das ist die Brücke. Es geht also um unsere Willenskräfte.

Willenskraft statt Schuldkultur

Harald Welzer: Das Ich hat es heute nicht leicht. Wir leben ja in einer Welt, die die andere Entscheidung viel wahrscheinlicher macht. Wir leben in einer in jeder Hinsicht nicht nachhaltigen Kultur. Deshalb ist die Entscheidung gegen Nachhaltigkeit immer wahrscheinlicher als die dafür. Das kapieren die ganzen Nachhaltigkeitspädagogen nicht. So werden auch Rahmenbedingungen falsch gesetzt. Für den Einzelnen ist es schwer, die Gegenentscheidung zu treffen. Unsere expansive Kultur verlockt: Nimm mich! Die Entscheidung für Nachhaltigkeit ist viel aufwendiger. Und es wird viel argumentiert, um die Leute zu entlasten. Wir praktizieren eine Schuldkultur. Der einzelne ist schuld, er soll sich schlecht dabei fühlen, aber er soll es nicht ändern. Das führt dann auch zu internen Verrechnungen. Wenn ich bei einer Sache so toll nachhaltig war, erlaube ich mir, woanders zu sündigen. Sehr stark macht, wenn wir diese Geschichten erzählen, auf Menschen gucken, die sich diesem Sirenengesang widersetzen. Ganz nach dem Motto: Ich bin mir zu gut, als dass ich das alles mitmache.

Und das verbindende Element dabei?

Harald Welzer: Ich glaub nicht, dass es das gibt. Außer positive Erfahrungen mit sich selbst gemacht zu haben. So wächst Ich-Stärke, die braucht auch sozialen Hintergrund. Und dann gibt es Spielertypen, die gehen auf Risiko. Und absolute Überzeugungstäter, getriebene, meist die puritanische Variante. Sehr unterschiedliche Motive also. Und ein ganz starkes Motiv ist, sich nicht blöder zu machen als man sein muss.

Alexander Gerber: Neben dieser persönlichen Ebene gibt es die Ebene der Rahmenbedingungen.

Renée Herrnkind

Moderatorin Renée Herrnkind. Foto: Demeter e. V.

Staat, Gesellschaft sind in der Verantwortung, durch gemeinschaftliche Regeln oder Unterstützung in die richtige Richtung zu lenken. Dafür braucht es Mut, es nicht allen recht machen zu wollen, sondern zu gestalten, Entscheidungen aus der Zukunft heraus zu treffen.

Harald Welzer: Ich stimme Ihnen total zu. Das kommt bei FUTURZWEI manchmal zu kurz, diese traditionelle politische Dimension der Rahmenbedingungen. Ich glaube nur, dass Politik nicht autonom dahin kommt, Politik ist heute ein extrem strukturkonservatives System, das Phantasiefreiheit fördert und praktiziert. Es gibt viel zu wenige Beispiele für kreative Politiker. Der Druck muss also von unten kommen.

Alexander Gerber: Mir wäre noch ein Aspekt wichtig, der dazu gut passt. Die Bio-Branche bewegt sich im Rahmen der EU-Öko-Verordnung. Die hat die Tendenz, immer mehr Gesetze zu machen, um jeden Einzelfall zu regeln. Immer unter der Prämisse von mehr Sicherheit. Das Interessante ist jedoch, dass wir genau dadurch weniger Sicherheit bekommen. Die Regelungsdichte ist so groß, die ist gar nicht umsetzbar und nicht mehr kontrollierbar. Vor allem aber: Je mehr über Gesetze geregelt wird, desto mehr wird die ökologische Landwirtschaft zur Rezepte-Wirtschaft – ganz wie die konventionelle, die nach dem Beipackzettel der Spritzmittel wirtschaftet. Der Aspekt selber denken – Initiative, Eigenverantwortung, Innovation – bleibt außen vor. Deshalb arbeiten wir bei Demeter gerade daran, wieder mehr Vertrauens-, Entwicklungsgemeinschaft zu werden. Natürlich bieten wir dem Verbraucher Sicherheit und Glaubwürdigkeit durch Richtlinien und Kontrolle. Aber das kann nicht mehr als die Basis sein. Entwicklung wollen wir mit anderen Instrumenten erreichen: Jeder einzelne schätzt sich selbst im Rahmen festgelegter Kriterien ein, trifft sich mit Kollegen zu Betriebsentwicklungsgesprächen und legt für sich fest, was er als nächsten Entwicklungsschritt machen will. Kriterien sind z. B.: Wie gehe ich mit Partnern um, mit Energie, mit Boden, mit Ressourcen? Es gibt die Verpflichtung zur Entwicklung. Das ist das Verbindliche im Rahmen des Verbandes. Wie und was, entscheidet der Unternehmer selbst. Diese kollegiale Beratung funktioniert bei den Bäuerinnen und Bauern schon gut. Trotz Wettbewerb in Herstellung und Handel kommt uns auch von dort eine große Offenheit entgegen. Das ist eine neue Qualität, dass wir so auf die Zusammenarbeit schauen können.

Harald Welzer: Das könnte ein gutes Modell sein. Es erinnert daran, was die eigentliche Frage gewesen ist. Was soll das, was ich hier tue? Dann kommt automatisch eine andere Antwort, als wenn ich nur auf das Regelwerk starre. Das macht Sinn. Das Technokratische zerstört ja auch Vertrauen, es basiert auf Misstrauen, auf der Unterstellung, ein anderer weiß es besser, verspricht mir Wohlstand.

Was macht dann den Wohlstandsbegriff aus?

Harald Welzer: Das kann man nur in der Praxis beantworten. Das kann man quantitativ nicht definieren. Das geht nur mit Entscheidungsfreiheit – was brauche ich, um auskömmlich zu leben? Es gehört letztlich zum Wohlstandbegriff, dass es auskömmliche Lebensverhältnisse für alle geben muss. Dann ordnungspolitisch passende Rahmenbedingungen dafür schaffen, zum Beispiel SUVs verbieten, Kreuzfahrten teuer machen. Man muss nicht jeden Unsinn gestatten.

Alexander Gerber: Das Soziale ist dabei ganz wichtig. Also mich ernst nehmen in dem, was ich auch gefühlsmäßig weiß. Da kriegt Wohlstand eine völlig andere Konotation.

Harald Welzer: Stimmt. Und man merkt an den Gegenreaktionen, wie bedrohlich es ist, wenn Menschen diese Autonomie bekommen.

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Dieses Interview stammt aus dem Demeter Journal 27 | Herbst 2015.

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