Der Computer auf dem Acker

Keno Westhoff
Ein Roboterarm von Iron Ox pflanzt einen Setzling um.

Ein Roboterarm von Iron Ox pflanzt einen Setzling um. Foto: Iron Ox.

Der Name Iron Ox klingt nach einer altmodischen, romantischen Farm irgendwo im Mittleren Westen der USA. Ein paar wenige Tiere spazieren dort bestimmt über die Weiden, daneben stehen Getreide-Felder und Gemüse-Äcker. Sicherlich wäre dieser Hof auch bio-zertifiziert. Doch weit gefehlt!
Bei Iron Ox handelt es sich um eine vollautomatisierte Gemüsefarm in Kalifornien. Das Ziel von Iron Ox ist es, mithilfe von High-Tech-Entwicklungen CO2-negativ zu werden, also mehr CO2 zu kompensieren als auszutoßen. Roboterarme kümmern sich um die Pflanzen von der Aussaat bis zu Ernte und bewerten den Wachstumsprozess mithilfe von sogenannter Künstlicher Intelligenz. Die Pflanzen werden im Hydroponik-Verfahren angebaut. Sie wurzeln also nicht in der Erde, sondern in Wasser, das mit Dünger versetzt ist. Das Licht in der Fabrikhalle kommt nicht von der Sonne, sondern von elektrisch betriebenen Grow Lights. Natürlich könnte das Wasser auch mit bio-zertifizierten Düngern versetzt werden, im klassischen Hydroponik-Verfahren wird jedoch Kunstdünger verwandt. Hydroponik hat den Vorteil, dass Pflanzen oft rascher als im Erdboden wachsen und dadurch auch schneller geerntet werden können. Auch Schädlinge kommen wesentlich seltener vor als im klassischen Ackerbau – klar, die Pflanzen stehen bis zum Vetrieb nie im direkten Kontakt mit der Außenwelt.
Nachteilig ist der hohe Energieverbrauch und der geringe Nährstoffgehalt der Ernte, wie Vaclav Smil feststellt: „In Vertical Farms können Salate, Tomaten, Paprika und Gurken profitabel erzeugt werden, mit wesentlich weniger Wasser als in der konventionellen Landwirtschaft. Allerdings beinhalten die Erzeugnisse wenig Kohlenhydrate and kaum Proteine oder Fett.“ Iron Ox vertreibt die Erzeugnisse ausschließlich in der Region und will damit die hypertechnologisierte Version der regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft sein. Ist das die Zukunft der Landwirtschaft?
Gerade während der COVID-19-Pandemie sehen viele Leute die Lösung für die Probleme in der Lebensmittelversorgung in der Automatisierung. Die American Society of Mechnical Engineers veröffentlichte ein Video, in der Unternehmen wie Iron Ox, Root AI und der Melkroboter LELY als Heilsbringer in der Krise dargestellt werden.

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Zu diesen Ideen hat der entwicklungspolitische Verband Inkota geforscht und festgestellt: Es drohe die Monopolisierung der verschiedenen Sektoren in der Agrarindustrie. Die Saatguthersteller*innen sind bereits mit den chemischen Zuliefer*innen für Pestizide und Herbizide verschmolzen. Das bekannteste Beispiel ist die Übernahme von Monsanto durch Bayer: Bayer verkauft Monsantos gentechnisch verändertes Saatgut, das nicht ohne Roundup (Bayers Markenname für Glyphosat) auskommt. Landwirt*innen begeben sich damit in Abhängigkeit von einem einzigen Konzern.
Durch die Digitalisierung droht nun die Verschmelzung dieser Konglomerate mit den Landmaschinenhersteller*innen wie John Deere, Krone oder Claas. Die Software der Landmaschinenhersteller*innen würde die Äcker auswerten und bedarfsgerecht die benötigte Menge an Saatgut, Dünger und Spritzmitteln beim entsprechenden Unternehmen bestellen. Für Landwirt*innen würde die Angebotsauswahl also extrem eingeschränkt werden. Auch könnte es sein, dass sie die Hoheit über ihre Daten verlieren und diese von den Anbieter*innen ähnlich wie bei Google und Facebook zur Vermarktung verarbeitet und analysiert werden. Diese Zukunftsvision scheint dystopisch. Gibt es andere Ansätze wie die Digitalisierung sinnvoll genutzt werden kann?
Die Digitalisierung in der Landwirtschaft als Grassroots-Bewegung zu gestalten, deren Produktionsmittel frei lizensiert sind und Souveränität über die eigenen Daten bieten, ist eine mögliche Alternative. Die Website Farm Hack sammelt Open-Source-Technologien für die Landwirtschaft, ob computerisiert oder mechanisch. Dort finden sich sowohl Bauanleitungen für mobile Hühnerställe als auch für farmOS, eine Software zum Verwalten von landwirtschaftlichen Flächen. Die GOAT-Community entwickelt abstraktere Stragien und Konzepte, um möglichst viele Technologien rund um die Landwirtschaft in einer offenen Weise zu entwickeln und zu koordinieren.
RedHat, ein Konzern, der vor allem durch seine gleichnamige Linux-Distribution bekannt geworden ist, hat eine Video-Reihe zur Landwirtschaft von morgen unter dem Namen Farming for the Future gedreht. Die Automatisierungsmöglichkeiten werden aus der Perspektive der Open-Source-Bewegung beleuchtet.Welche Möglichkeiten aus ökologischer und landwirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind, bleibt noch festzustellen. Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass nicht die Technik im Vordergrund stehen muss, sondern die Landwirtschaft und Natur selbst. Ökologische Verfahren wie Permakultur und die Agroforstwirtschaft werden eine zentrale Rolle spielen, die von Automatisierungstechnologien sinnvoll ergänzt werden können.
Wie Franza Drechsel und Kristina Dietz in ihrem Beitrag „Drohnen, Roboter, synthetische Nahrungsmittel“ schildern, ist es wichtig zu beachten, „dass auch eine technologisch hochentwickelte Agrarproduktion auf die Reproduktionsbedingugen der Natur angewiesen ist. Sie zu ignorieren und von einer technisch vermittelten Zunahme der Naturbeherrschung als Lösung der ökologischen Krise auszugehen, bedeutet nichts anderes als ihre Verstärkung.“

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