Bäuerliche Milchwirtschaft in Indien und Niedersachsen in der Krise

Barthel Pester
Westerstede 2015 Podium

Milcherzeuger in der Abhängigkeit von riesigen Molkereien, die als moderne Sklaverei bezeichnet werden kann (v.r.n.l.): Ottmar Ilchmann (AbL), Sagari Ramdas (FoodSovereignity Alliance Indien), Kirsten Wosnitza (BDM), Barthel Pester (Moderation, transfer e.V.), Hans-Joachim Janßen (Die GRÜNEN) und Herbert Heyen, Vorstandsvorsitzender der Molkerei Ammerland.

Situationsanalyse und Auswege auf der bäuerlichen Milchtagung in Westerstede debattiert
„Wir haben im Moment die Situation, dass die Molkereien niedrige Preise bequem an ihre Milcherzeuger weitergeben“, sagte Ottmar Ilchmann, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), auf der Milchtagung am 24.11.2015 im Sonnenhof in Westerstede. Ilchmann schlug deshalb vor: „Die Menge muss zur Vermeidung von Milchpreiskrisen reduziert werden. Dafür müssen europaweit Milcherzeuger, die weniger produzieren, honoriert werden und Erzeuger, die mehr produzieren, eine Abgabe zahlen.“
Die gut besuchte Bauerntagung veranstalteten die AbL, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), Brot für die Welt, GermanwatchMisereor, BUND Niedersachsen, die Arbeitsloseninitiative Oldenburg (ALSO) und das Ökumenische Zentrum Oldenburg (ÖZO) gemeinsam.

Auch wenn die Lebensumstände zwischen Indien und Deutschland unterschiedlich sind, konnte Sagari Ramdas, von der Allianz für Ernährungssouveränität in Indien, doch Gemeinsamkeiten feststellen: „Mit der Liberalisierung des Milchmarktes in Indien in den 90er Jahren übernahmen immer mehr private Molkereien und internationale Investoren den indischen Milchmarkt. Ihr Ziel ist es, die Kleinbauern aus der Produktion zu drängen und deren informelle und lokale Märkte zu übernehmen. Dafür werden Großbetriebe gefördert, die die Molkereien künftig mit Milch beliefern.“ Ramdas beklagte diese Entwicklung: „Das hat gravierende Folgen, denn in Indien leben fast 90 Millionen Familien von der Milcherzeugung, das entspricht etwa einer halben Milliarde Menschen, also der Hälfte der indischen Bevölkerung.“

Hofbesuch

Sagari Ramdas mag die Abhängigkeit der heimischen Milcherzeuger von den Molkereien nicht glauben.

Die Ausrichtung der europäischen Exportpolitik skizzierte Tobias Reichert, Germanwatch: „Seit Anfang des Jahrzehnts steigen die Exporte von Milchpulver stetig. Auch Afrika, selbst südlich der Sahara, ist Ziel europäischer Exporte.“
Herbert Heyen, Vorstandsvorsitzender der Molkerei Ammerland, sieht dagegen in der Exportorientierung eine Chance. Gleichzeitig stellte er das Qualitätsprogramm der Ammerlandmolkerei für Weidemilch vor, für die die Landwirte allerdings keinen Aufschlag auf den Milchpreis erhalten, sondern eine Pauschale von 500 Euro jährlich.
Dass die Molkerei Ammerland neue Wege beschreitet, lobte Kirsten Wosnitza vom BDM. Dennoch gab sie zu bedenken: „Diese Anstrengungen reichen nicht aus. Ein weiter so mit der Überschusserzeugung ist nicht zukunftsfähig.“
Hans-Joachim Janßen, agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im niedersächsischen Landtag, unterstützte das Konzept des BDM und der AbL, die Milchmenge in Krisenzeiten zu reduzieren.
Professor Rainer Buchwald von der Universität Oldenburg beschrieb, dass Dauergrünland in der Region in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen ist. Buchwald verwies auf die Bedeutung von Dauergrünland etwa als Kohlenstoffsenke, Wasserspeicher, für die Artenvielfalt oder für den Tourismus. Er schlug als Maßnahmen differenzierte Vermarktung und politische Unterstützung vor, um Grünland zu erhalten und zu stärken.

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